Die Überfahrt mit der Fähre über den Nasser Stausee von Ägypten in den Sudan, war eines jener Erlebnisse, die man schnell verdrängen möchte, jedoch niemals mehr vergisst. Nachdem wir eine Woche auf die Abreise gewartet hatten, war das Durcheinander vor der Abfahrt perfekt: Der durchlöcherte Ponton auf dem unser Auto transportiert werden sollte, wurde doch noch kurz vor Abfahrt notdürftig mit Zement geflickt. Jedoch hatte der Steuermann, der den Ponton fahren sollte, plötzlich eine Woche frei, es sei denn, die Höhe des „Bakschisch‘s“ (Trinkgeld) könnte ihn davon überzeugen, doch zu arbeiten. Wir sammelten unter den Mitreisenden aus England, Deutschland, Italien und Australien einen entsprechenden Betrag mit dem wir den Steuermann überredeten, seinen Urlaub zu verschieben.
Endlich war es dann soweit, am Montag, den 29.11.11 fuhren wir unsere Fahrzeuge auf den Ponton und hofften, dass der frische Zement halten wird.
Danach ging es bei uns auf die Personenfähre, die nicht gerade einer Luxuskarosse entsprach, sondern eher einem verrosteten Kahn kurz vor seinem Untergang. Die nächsten zwanzig Stunden auf der Fahrt von Assuan (Ägypten) nach Wadi Halfa (Sudan) verbrachten wir gedrängt mit unzähligen Ägyptern, Sudanesen und Libyern, sowie Hunderten von Taschen, Koffern, Fernsehern, Waschmaschinen und allerlei undefinierbaren Gegenständen.
Die Entschädigung dafür bekamen wir in dem Augenblick als wir sudanesischen Boden betraten. Wir wurden mit einer unglaublichen Herzlichkeit empfangen. Unser anfängliches Misstrauen gegenüber freundlichem Grüßen war absolut unbegründet, da im Gegensatz zu den ägyptischen Nachbarn uns die Sudanesen nichts andrehen und uns nicht über den Tisch ziehen wollten. Sogar die Preise im Laden stimmten auf Pfund und Piaster. Nach vier Wochen Ägypten war das die reinste Wohltat.
Wir wurden jedoch von Tag zu Tag betrübter, da der Ponton weder an dem versprochenen zweiten, noch am dritten oder vierten Tag eintraf. Es konnte kein Kontakt zu dem Steuermann des Pontons aufgenommen werden und wir sahen unseren Toyota schon auf dem Nasser Stausee-Grund liegen. Umso erleichterter waren wir, als unser Buschtaxi heil und unversehrt nach fünf Tagen im Hafen von Wadi Halfa einfuhr. Schuld an der Verzögerung waren das notdürftig reparierte Loch im Ponton, sowie die Tatsache, dass dieser heillos überladen war. Dadurch lag der Ponton zu tief im Wasser und konnte nur im Schneckentempo fahren. Zusätzlich lief ziemlich viel Wasser hinten hinein. Uns blieb nichts anderes übrig, als die Wartezeit mit leckeren Falafeln und Unmengen Tee und Kaffee, sowie bester Unterhaltung mit unseren Leidensgenossen zu vertreiben. Mike von Dragoman Overlanders aus Australien, Dee und James aus England, sowie Igor und Johannes aus Deutschland www.zweidurchafrika.de. Unterwegs mit Lastwagen, Landcruiser und Motorrädern. Eine bunte Truppe, mit der wir viele Informationen ausgetauscht, herzlich gelacht und „geduldig“ gewartet haben.
In der Zeit haben wir auch Barbara und Franz kennengelernt (www.stoerch-besel.de.tl). Die beiden sind mit dem Fahrrad von Kapstadt nach Kairo unterwegs und hatten schon ca. 9000 km auf dem Mountainbike geschafft. Die beiden sahen unglaublich durchtrainiert aus und hatten interessante Erlebnisse zu berichten. Netterweise haben sie uns Ihre sudanesische SIM-Karte geschenkt. Im Sudan kann man über Mobilfunkempfang für unglaubliche 0,18 Euro den ganzen Tag im Internet surfen.
Leider konnten wir unser Auto erst am nächsten Tag aus dem Hafen fahren, da plötzlich die Computer zur Zollabfertigung nicht funktionsfähig waren. Also wieder geduldig warten. Am Sonntag, den 5.12.11, dem sechsten Tag nach unserer Ankunft war es endlich soweit: Auto aus dem Hafen auslösen, zur Fischfabrik fahren und Wasser bunkern, leckere Dinge auf dem Markt kaufen (ja, es gibt auch Erdbeeren mitten in der Wüste) und dann ab in den Tiefsand. Knapp 300 Kilometer Richtung Süden, entlang der Bahnstrecke durch die Nubische Wüste. Traumhafte Offroad-Strecken, Duschen mit 360 Grad Panorama sowie Lagerfeuer und Schlafen unter tausenden Sternen haben die Tage im Nu vorbeifliegen lassen.
Am dritten Tag haben wir Abu Hamed erreicht, die erste Stadt am Nil, wo wir durstig über die erstbeste Tankstelle hergefallen sind. Weiter ging es Richtung Süden, entlang des Nils zwischen Atbara und den Pyramiden von Meroe. In einem kleinen Tal, abseits der Straße haben wir mit einem gemütlichen Lagefeuer unser Camp für die Nacht aufgeschlagen. Am nächsten Morgen bei der Besichtigung der Pyramiden von Meroe haben wir James und Dee aus England wiedergetroffen und spontan beschlossen den Tempel-Trail rund um Musawwarat gemeinsam zu fahren. Abends wieder gemütliches Lagerfeuer, diesmal mit interkulturellem Austausch in Form von „Excellent British Earl Grey Tee“. Entlang des Tempel-Trails (wunderschöne, gut erhaltene Tempel), Off-Road über Stock und Stein, mitten durch traumhaft schöne Landschaften, vorbei an kleinen Siedlungen, Wasserbrunnen sowie wilden Kamelen, ging es am Nachmittag dann nach Khartum.
In Khartum sind wir zuerst zur Deutschen Botschaft gefahren um ein Schreiben, für die Einreise mit dem Fahrzeug nach Äthiopien zu besorgen. Dort wurde uns mitgeteilt, dass dieses nicht mehr benötigt wird und dem war dann auch so. Danach sind wir direkt zum National Camp Ground gefahren. Empfangen wurden wir vom Manager, der gleich mit Hand anlegte, die Zentimeter dicken Staubschichten von unserem Auto mit Hilfe eines Wasserschlauchs, direkt vor der Mosche, zu entfernen. Wir haben uns sehr gefreut, hier unsere beiden Biker-Jungs Johannes und Igor wiederzutreffen. Die folgenden beiden Tage verbrachten wir mit einer Aneinanderreihung von Erledigungen: Vorräte aufstocken, Waschen, Putzen, Tanken, Mailen sowie einer routinemäßigen Wartung des Toyotas (Filter wechseln, Abschmieren, etc.). Ein Highlight dieser Tage waren die tanzenden Derwische. Jeden Freitagnachmittag, treffen sich die Derwische vor einer großen Mosche direkt auf dem Friedhof Hamid El-Nile Tomb (GPS Koordinaten N15 37.588 E32 27.773) zum Singen, Trommeln, Tanzen, Lachen und Reden. Es dauerte nicht lange, bis wir von ihnen in den Bann gezogen wurden. Hier haben wir ein Stück authentisches Afrika miterleben dürfen.
Am nächsten Mittag hatten wir uns zusammen mit den Motorrad-Jungs Igor und Johannes und den Engländern Dee und James auf den Weg in Richtung äthiopische Grenze gemacht. Das erste Nachtlager hatten wir an einem Fluss auf einem abgegrasten Feld mit unzählig vielen getrockneten Kuhfladen aufgeschlagen. Wie wir festgestellt haben, eignen sich getrockneten Kuhfladen hervorragend für ein Lagerfeuer, wenn kein Holz zur Verfügung steht. Not macht erfinderisch. Am nächsten Morgen ging es weiter jedoch mussten wir ca. 30 km vor der Grenze noch einmal übernachten, da es für einen Grenzübertritt zu spät war. Unsere Übernachtung war diesmal Mitten im Gebüsch in der Nähe einer Wasserstelle. Wie wir am nächsten Morgen feststellten, dient die Wasserstelle der Bevölkerung und deren Tieren als Wasserspeicher. Als wir erwachten waren wir umringt von Herden von Ziegen, Schafen und Kamelen, die alle den Durst für den Tag stillten. Die Hirten beäugten uns in respektvollem Abstand und grüßten mit einem schüchternen Winken.
Wir haben den Nordsudan nur mit liebenswerten, hilfsbereiten und ehrlichen Menschen kennengelernt und es ist für uns schwer vorstellbar, dass ein paar Kilometer weiter immer noch kriegerische Auseinandersetzungen sowie Mord und Totschlag stattfinden. Aus Sicherheitsgründen ist es für Touristen nicht möglich, vom Nordsudan in den Süd Sudan zu reisen. Wir werden eventuell versuchen, zu einem späteren Zeitpunkt entweder von Uganda oder Kenia den Süd Sudan zu bereisen.
Highlights
- Die Schönheit der Nubischen Wüste
- Der beeindruckende Tempel Trail
- Die schoenen Pyramieden von Meroe
- Die Übernachtung an der Wasserstelle vor der Äthiopischen Grenze
- Die ehrlichen und freundlichen Sudanesen